Die Blockchain sprengt Ketten

17.10.2019

Blockchains haben sich von ihrem ursprünglichen Anwendungsfall Kryptowährung zu einer technischen Lösung für transaktionsbasierende Prozesse weiterentwickelt. Der Vorteil: Mit einer Blockchain kann jederzeit ein nachvollziehbarer, überprüfter und ganzheitlicher Systemzustand belegt werden. Das eröffnet eine Vielzahl neuer Einsatzgebiete: vom Monitoring einer Kühlkette über die Fälschungssicherheit von Medikamenten bis hin zum industriellen Supply Chain Management. Eine Blockchain kann aber mehr als „nur“ einen Systemzustand fälschungssicher zu dokumentieren. Es können Bedingungen festgelegt werden – aus der Blockchain wird damit ein Smart Contract. Hat der Lieferant beispielsweise just-in-time übergeben, erfolgt automatisiert der Rechnungsausgleich. Bei Verzug unterbleibt die Zahlung, beziehungsweise werden automatisch vorher vereinbarte Rabatte abgezogen. Bei Mängeln kann die Chain automatisch und sofort eine Ersatzlieferung beantragen. Mehr noch: Fehlt eine Leasing-Rate, kann die Blockchain zuerst die Motorleistung eines Lkws reduzieren und später den elektronischen Autoschlüssel ganz sperren.

Definitionssache

Wie funktioniert eine Blockchain? Das Grundprinzip ist ganz einfach: Wer Prozesse fälschungssicher dokumentieren möchte, hat zwei Möglichkeiten. Entweder kommen die entsprechenden Dokumente in einen Tresor – in der Hoffnung, dass der nicht geknackt wird. Oder aber: Jeder Beteiligte im Workflow wird in Echtzeit über sämtliche Vorgänge und Änderungen informiert. Wer jetzt manipulieren möchte, müsste dies gleichzeitig im Datenbestand aller Mitgliedern tun. Ein Ding der Unmöglichkeit. Eine Blockchain ist mithin eine Datensammlung, die mit jedem Vorgang und mit jeder Änderung wächst. Beispiel Beschaffungsvertrag: Jede Transaktion wie Angebote, der Kaufvertrag, AGBs aber auch Bedingungen erzeugen jeweils einen Informationsblock – ein Datenpaket. Diese werden digital gespeichert und mit einer Prüfsumme versehen. Diese Prüfsumme wird in das nächste Datenpaket übernommen. Und dessen Prüfsumme in das folgende – so entsteht eine Datenkette, mit anderen Worten: eine Blockchain. Nachträgliche Änderungen fallen sofort auf, weil die Änderung eines Dokumentes eine andere Prüfsumme zur Folge hätte und das gefälschte Dokument beziehungsweise Datenpaket damit nicht mehr in die Reihe passt. Diese wachsende Blockchain ist bei allen Beteiligten präsent. Die aktuelle Blockchain der Kryptowährung Bitcoin war Anfang August 2019 insgesamt 237 GB groß – kein Wunder bei der Vielzahl der Transaktionen. Industrielle Blockchains sind dagegen deutlich kompakter.

Der Branchenverband Bitkom schätzt, dass nur in fünf Prozent der KMUs unternehmensübergreifende Prozesse vollständig digitalisiert abgearbeitet werden. Mit anderen Worten: Auftragsvergabe, Vertragsvereinbarungen und das Monitoring werden kostenintensiv und fehleranfällig immer noch über Fax, Telefon oder E-Mail abgewickelt. Um trotzdem kürzere Lieferzeiten einhalten zu können, müssen Unternehmen höhere Lagerkapazitäten vorhalten. Mittelständische Einzel- und Kleinserienfertiger lagern mittlerweile durchschnittlich 20 % ihres Umsatzes in Warenbeständen als Reserve.

Gemeinsam sind wir stärker

Der Einsatz von Blockchains könnte Supply-Chain-Partner wie Lieferanten, Hersteller, Händler, Logistik- und Finanzdienstleister in einen digitalen Workflow integrieren. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Nach einer Bitkom-Umfrage aus dem Jahr 2019 setzen gerade mal zwei Prozent der befragten Unternehmen Blockchains ein, vier weitere Prozent sind im Planungsstadium. Das wird sich in absehbarer Zeit ändern. Vor allem dann, wenn die Global Players von ihren kleineren Lieferanten die Einführung von unternehmensübergreifenden digitalen Prozessen fordern.

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