Interviewreihe “Fit für die Gründung – Profis starten durch!”

17.09.2022

In diesen Interviews erzählen Gründerinnen und Gründer ihre persönliche Existenzgründungsgeschichte. Gemeinsam haben sie, dass sie den Sprung in die berufliche Selbstständigkeit aus einer Anstellung wagten. In dieser Folge tut dies Dr. Johann Halbartschlager von Tech Consulting Services.

Das Unternehmen Tech Consulting Services mit Sitz in Holzgerlingen berät produzierende Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit und Klima-Neutralität mit Fokus auf Energie- und Ressourceneffizienz, Emissionsminderung sowie Abfallvermeidung bei Lackier- und verfahrenstechnischen Anlagen. Die Zielgruppen sind Anlagenbetreiber und Anlagenbauer in den Branchen Oberflächentechnik, chemische u. verfahrenstechnische Industrie sowie Umwelttechnik.  

Dr. Johann Halbartschlager, Doktor der technischen Wissenschaften und Dipl.-Ing. Chemieingenieurwesen gründete das Einzelunternehmen im Januar 2021. Seine Kunden sind in Deutschland, Österreich, USA und Südamerika aktiv.

Wie war Ihre berufliche Ausgangssituation vor der Gründung?

Ich war für meinen damaligen Arbeitgeber, einen Anlagenbauer, 2015 und 2016 in China tätig und habe dort innerhalb von zwei Jahren den Bereich Umwelttechnik aufgebaut. Außerdem war ich Business Unit-übergreifend u.a. als In-House-Consultant für technologische Themen tätig. Insgesamt habe ich 35 Jahre für das Unternehmen in unterschiedlichen Fach- und Führungsfunktionen weltweit gearbeitet.

Was waren Ihre Beweggründe für den Schritt in die berufliche Selbstständigkeit?

Die Geschäftsidee entstand durch viele Gespräche in meinem beruflichen Netzwerk. Dabei spielten die großen gesellschaftlichen Herausforderungen im Bereich Nachhaltigkeit und klimaneutrale Produktion eine wichtige Rolle. Durch meine 35-jährige Berufspraxis, auch in Produktionsverantwortung, bin ich in der Lage Ökologie und Ökonomie, z.B. durch produktionsintegrierten Umweltschutz, in Einklang zu bringen. Mein umfangreicher Erfahrungsschatz machte mich sehr zuversichtlich, dass ich mit meinem Angebot genau zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt komme. Finaler Auslöser für die Selbstständigkeit als Consultant war letztendlich die Insolvenz meines Arbeitgebers.

Wie sah Ihr Gründungsprozess aus?

Mein Gründungsprozess war sehr zielorientiert. Bereits im Vorfeld habe ich Akquise-Gespräche mit potenziellen Kunden geführt, konkrete Leistungspakete und Angebote formuliert, Fördermöglichkeiten abgeprüft und einen Businessplan geschrieben. Ein guter Freund, der ehrenamtlich in der Gründungsberatung tätig ist, stellte mir hierbei die richtigen Fragen zu meinem Leistungsspektrum, Markt und Wettbewerbern, Alleinstellungsmerkmalen, Chancen und Risiken. Auch die Senioren der Wirtschaft haben mich unterstützt.

Welche Bedenken bzw. Ängste hatten Sie im Zusammenhang mit der Gründung und wie sind Sie damit umgegangen?

Meine Bedenken bezogen sich lediglich auf die Frage, wie ich schnellstmöglich Aufträge erhalte. Der Austausch mit meinem Netzwerk, aus z.B. ehemaligen Kollegen und Wegbegleitern, war für die ersten Aufträge sehr hilfreich. Letztendlich bin ich für eine erste erfolgreiche Akquise direkt auf einen ehemaligen Kunden zugegangen.

Was ist für Sie besonders spannend in der beruflichen Selbstständigkeit?

Es sind die vielfältigen persönlichen Kontakte zu Menschen in völlig unterschiedlichen Branchen und dass sich meine beratende Tätigkeit sehr stark mit Zukunftsthemen beschäftigt.  Auch schätze ich es sehr, dass ich die Arbeitszeit weitgehend frei einteilen kann. Wie hat sich Ihr beruflicher Alltag gegenüber der Anstellung verändert? Mein beruflicher Alltag hat sich dadurch nicht so stark verändert. Auch in meiner Anstellung musste ich verschiedenste Themen koordinieren, das ist in meiner Selbstständigkeit weiterhin ein wichtiger Aspekt. Mein Arbeitspensum ist eher höher, da mein Anspruch, die Kunden exzellent zu bedienen teilweise ein vertieftes Einarbeiten in neue Themen erfordert. Dafür schätze ich die zeitlichen Freiräume sehr, die nun größer sind. Selbstständig sein, bedeutet für mich nicht ständig zu arbeiten. Meine Tätigkeit konzentriert sich heute weniger auf die „klassischen Arbeitszeiten“, dadurch kann ich private und berufliche Termine besser in Einklang bringen und flexibler auf Kundenbedürfnisse eingehen. Der Aspekt des Selbstmarketings hat an Bedeutung gewonnen, man muss als Selbstständiger aktiv und interessiert auf Menschen zugehen sowie für sein Angebot begeistern können und den Mehrwert transportieren.

Mit welchen unternehmerischen Herausforderungen müssen Sie umgehen?

Die Herausforderung besteht darin, dass ich als „Solist“ auf Terminänderungen bei Kunden sehr flexibel reagieren muss. Entscheidungen bei Kunden dauern mitunter einiges länger oder werden verschoben. Das bedeutet für mich, dass ich immer wieder neu disponieren muss. Insofern ist es vorteilhaft, immer mehrere Projekte parallel in der Umsetzung zu haben. Bei allem Abarbeiten der Aufträge darf man das Netzwerken und die Akquise nicht vergessen.

Welche Erfahrungen haben Sie als Unternehmer bisher mit Krisen gesammelt?

Aufgrund meiner breiten thematischen Aufstellung kam ich bislang in keine Krisensituation. Ein Grundsatzrisiko ist aus meiner Sicht ist, dass bei Krisen reflexartig externe Dienstleistungen als Erstes auf den Prüfstand gestellt werden. Umso wichtiger ist es, nicht von einem einzigen (Groß-)Kunden abhängig zu sein.

Welche konkreten Tipps können Sie frischen Gründer:innen geben?

Gründer:innen sollten sich folgende Fragen ehrlich beantworten: Wie unterscheide ich mich von Wettbewerbern? Welche Alleinstellungsmerkmale habe ich?Wird mein Angebot langfristig nachgefragt?Kann ich Akquise? Man sollte sein bisheriges berufliches Netzwerk dahingehend hinterfragen, ob es einen bei der Auftragsgenerierung unterstützen kann.  Ich empfehle stetig an der Erweiterung des Netzwerkes zu arbeiten, z. B. durch Teilnahme an Tagungen, Messen etc. Entscheider:innen ist es häufig wichtig, den Menschen, der hinter einer Dienstleistung steht, persönlich zu kennen, bevor man zusammenarbeitet. Zumindest in meinem Metier ist das so. Auch kann man Vorträge halten und Artikel in Fachzeitschriften platzieren, um den eigenen Bekanntheitsgrad und Expertenstatus zu erhöhen. Es ist ebenfalls hilfreich, auf externe Spezialist:innen, beispielsweise für Steuerthemen, zurückzugreifen. Nicht nur in der Gründungsphase, sondern auch danach, um sich auf das eigene Kernbusiness konzentrieren zu können! Auch das Einbinden des persönlichen Umfelds, in die Gründungsgedanken, ist wichtig. Denn möglicherweise muss der Partner zu Beginn der Selbstständigkeit stärker zum Lebensunterhalt beitragen.

Welche Qualitäten sollte man als Unternehmer:in mitbringen bzw. sich aneignen?

Freude am Kontakt mit Menschen halte ich für wichtig. Ganz entscheidend ist es, sein eigenes Produkt oder die Dienstleistung verkaufen zu können. Ebenfalls sollte man seine Resilienz für stressige Tage stärken.

Was war in der Gründung Ihre größte Lernerfahrung?

Man muss sich konsequent auf den Weg machen und dran bleiben. Wie schon erwähnt, sollte man auf potenzielle Kunden zugehen, ihnen zuhören und sich mit ihren Herausforderungen beschäftigen. Dann gelingt es, den eigenen Mehrwert zu transportieren. Daraus eröffnen sich immer wieder Türen und neue Perspektiven, die neue Geschäftschancen bieten.

Was würden Sie heute bei Ihrer Gründung anders machen und warum?

Bezüglich Gründung würde ich nichts anders machen. Ich frage mich selbst, warum ich nicht schon viel früher den Weg in die Selbstständigkeit gegangen bin!

Herzlichen Dank für den Einblick und die Anregungen!