Wartung 4.0: Predictive Maintenance

04.10.2019

Die ungeplante Unterbrechung von Produktionsprozessen ist ein Worst-Case-Szenario in der Fertigungsindustrie; inklusive negativer Folgen für Qualität, Kosten und Termine. Predictive Maintenance optimiert im Industrie 4.0-Umfeld Wartungsroutinen und Services.

Klassischerweise ist die Wartung von Anlagen und Maschinen ein zeitorientierter Prozess – meist in Form vorbeugender Instandhaltung (Preventive Maintenance). Die konventionelle Strategie gegen solche Produktionskiller besteht in festen Wartungsplänen und akribischer Prozessüberwachung – allerdings „nur“ auf Basis von Erfahrungen und Hochrechnungen. Das Alter gilt dabei als Hauptfaktor. Dabei zeigt eine Studie der ARC Advisory Group, dass mehr als drei Viertel aller Ausfälle keine altersbedingten Ursachen haben und überraschend ohne nachvollziehbaren Grund auftreten. Darüber hinaus ist vorbeugende Wartung immer auch ein Kompromiss zwischen Wirtschaftlichkeit und Risiko. Sie ist nicht kosteneffizient – die Lebensdauer von Werkzeugen, Ersatzteilen und Maschinen wird nur teilweise genutzt.

Wissen, was passieren wird

Vorausschauende Instandhaltung (Predictive Maintenance bzw. PM) basiert auf dem tatsächlichen Zustand von Anlagen. Dafür werden im laufenden Prozess die aktuellen Zustandsdaten von Maschinen, Werkstücken und Komponenten durch Sensoren erfasst. Diese Daten werden mit Informationen aus Drittsystemen wie dem unternehmenseigenen ERP oder auch von Herstellerplattformen kombiniert. Algorithmen analysieren anschließend die Informationen in Echtzeit. Das Ziel: die Berechnung des optimalen Wartungszeitpunktes in Abhängigkeit von Auslastung, Qualität und Planungsvorgaben. Die Erwartungen sind groß: Laut einer Studie der Strategieberater von Roland Berger erhoffen 65 % der befragten Produktionsleiter Mehrwerte bei der Erforschung von Störungen, Ausfällen und Fehlerquellen. Dass die auf PM ruhenden Hoffnungen berechtigt sind, belegt wiederum eine Studie des Weltwirtschaftsforums: Bei geplanten Reparaturen belaufen sich die Einsparungen demnach auf zwölf Prozent, Wartungskosten sinken um fast 30 %. Ungeplante Stillstände gehen laut der Untersuchung um 70 % zurück. Und das sind die, die vor allem Geld und Renommee kosten.

Realisierte Predictive Maintenance-Projekte belegen das enorme Potenzial der neuen Technologie. So erkennen Drehmaschinen heute schon während der Bearbeitung von Werkstücken auf Basis einer Frequenzanalyse, ob ein Werkzeug demnächst brechen wird. Dann muss sowohl das Werkzeug gewechselt werden, als auch die Prozessdaten in die zukünftige Produktionsplanung einfließen. Daimler AG optimiert in der Region Stuttgart mit Predictive Maintenance beispielsweise die Fertigung von Zylinderköpfen. Dabei zeigt sich eine weitere Herausforderung: Wegen der Vielzahl an Einflussgrößen auf die Qualität des Endprodukts war die Identifikation der entscheidenden Parameter die größte Herausforderung. Für die Überwachung, Steuerung und Analyse des Produktionsprozesses verwendete Daimler deshalb ein Data-Mining-System. Es arbeitet mit einer Reihe von Schwellwerten, bei deren Überschreitung automatisch oder manuell eingegriffen wird, um die vorgegebenen Toleranzen einhalten zu können. Das Resultat: eine Produktivitäts-Steigerung um 25 % und einer Verkürzung der Hochlaufphase des Fertigungsprozesses auf die Hälfte.

Plattformen für Services

Nicht nur die Betreiber der Anlagen, auch die Hersteller befassen sich intensiv mit dem Thema: Sie arbeiten an neuen Geschäftsmodellen. Denn wer die Anlage baut, kennt sich wie kein Zweiter mit ihren technischen Gegebenheiten aus und kann damit weitreichende Services anbieten. Mit MindSphere Services bietet Siemens beispielsweise eine Plattform an, die Daten von verbundenen Systemen, Maschinen, Geräten und Produkten in der Cloud verarbeitet. Damit lassen sich Prozesse wie auch Anlagen visualisieren und als digitaler Zwilling abbilden. Eine offene Entwicklungsumgebung macht MindSphere gerade auch für KMUs interessant, die sich nicht einem proprietären System ausliefern möchten. Jedes vierte Fertigungsunternehmen plant laut IDC die Instandhaltung und den Betrieb von Maschinen zukünftig stärker auszulagern. Dieser Trend wird durch den Kostendruck im verarbeitenden Gewerbe sowie durch die Forderung nach mehr Flexibilität getrieben. Und er wird Maschinen- und Anlagenbauer zum Partner ihrer Kunden machen.

Sie interessieren sich für Predictive Maintenance-Projekte? In der HighTech-Region Stuttgart finden sich zahlreiche Forschungspiloten und Referenzprojekte – Recherchieren Sie einfach im Competenzatlas der IT Region Stuttgart. Hier finden Sie zahlreiche Ansprechpartner aus Wissenschaft und Praxis.